Rechtliches

Ein Jurastudium reicht leider nicht aus, um den Sachverhalt im Ganzen zu verstehen. Man muss die Einschätzungen von Spezialisten bzw. Fachanwälten zu Rate ziehen. Wir konzentrieren uns hier auf die reinen Fakten:

Baulastträger oder wer darf die Straße bauen?

Bei der Planung von Straßen muss grundsätzlich geklärt werden, wer der Baulastträger sein muss. Ist es eine Gemeindestrasse, wo wir als Stadt Rheda-Wiedenbrück zuständig oder eine höhergeordnete Straße, wo der Kreis Gütersloh, das Land oder der Bund zuständig wären? Hier gibt es sehr konkrete rechtliche Vorgaben. 

Abwägung der Schutzgüter oder wann darf eine Straße überhaupt gebaut werden?

Ein Straßenbau ist immer eine Abwägung von Zielsetzungen und Beeinträchtigung von Schutzgütern. In diesem Fall ist das Schutzgut Mensch (insbesondere Lärmschutz, neue Lärmquellen), das Schutzgut Wasser (Die Wasserqualität der Ems ist in diesem Bereich sehr schlecht), das Schutzgut Tier (in diesem Bereich wurden 14 sehr streng geschützte Arten nachgewiesen) und das Schutzgut Landschaft zu beachten.

Historie

Die erste gerichtliche Auseinandersetzung endete 2008 vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster. Dort war die Straße als Kreisstraße geplant worden. Die Ablehnungsgründe waren formelle Fehler bei Ausfertigung der Planung und das zu wenig auf den Lärmschutz eingegangen worden ist. Der Status als Kreisstraße wurde in diesem Verfahren nicht angezweifelt. 2011 entschied man sich für eine Fortsetzung des Projektes und startete ein Planfeststellungsverfahren. Diesmal allerdings als Gemeindestraße. Über die Hintergründe können wir als Initiative nichts sagen, das Verwaltungsgericht kommentiert diese Entscheidung in Ihrem Urteil wie folgt

„Aus diesen Ausführungen der Beigeladenen zieht die Kammer den Schluss, dass den in Frage kommenden Straßenbaulastträgern von Anfang an klar war, dass es sich bei dem geplanten Straßenbauvorhaben der Sache nach um eine Kreisstraße handelt. Lediglich um den Planungsfortschritt zu beschleunigen, den man in Folge der Äußerungen des Kreises wohl als erheblich gefährdet sah, erfolgte dann ein politischer Beschluss der Beigeladenen „zur Übernahme der Straßenbaulast für den geplanten Abschnitt des Südrings von der Lippstädter Str. bis zur Rietberger Str.“ (s. Bl. 773 d. Verfahrensakte Band II, Beiakte 009). Dieser politische Beschluss entbehrt indes jeder rechtlichen Grundlage und ist daher nicht tragfähig, weil die Übernahme oder Nichtübernahme der Trägerschaft einer Straßenbaulast im Grundsatz nicht in der politischen Disposition einer Gemeinde steht, sondern sich allein aus dem materiellen Straßenrecht ergibt.“ Seite 15 der Urteilsbegründung des Verwaltungsgericht Minden 16.1.2025

Das gesamte Planfeststellungsverfahren hat sich auf Seiten der Stadt und der Bezirksregierung Detmold bis November 2023 hingezogen. Die Klage erfolgte Dezember 2023, die Klagebegründung wurde im Februar 2024 eingereicht, die mündliche Verhandlung war für den 6.12.2024 angesetzt, wurde aber auf Wunsch der Bezirksregierung Detmold auf den 16.1.2025 verschoben. 

Klagebegründung und Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 16.1.2025

Die Klagebegründung beinhaltete eine Reihe von Punkten: Zuständigkeit der Baulastträgerschaft, Verletzung der Schutzgüter Mensch (Lärmschutz), Tier, Landschaft und Wasser und finanzielle Aspekte aufgrund der prekären Haushaltssituation der Stadt. Normalerweise behandelt ein Gericht mehrere Aspekte einer Klagebegründung (zustimmend oder ablehnend), um eine saubere Abwägung zu ermöglichen. In diesem Fall erschien dem Gericht der Aspekt der falschen Bauträgerschaft so eindeutig, dass auf die weiteren Punkte gar nicht weiter eingegangen wurde. 

Chancen einer Beschwerde gegen das Urteil

In diesem Falle sind sich die Klageanwälte und die Beklagten (Bezirksregierung Detmold und die Stadtverwaltung) in Ihrer Einschätzung einig. Die Bezirksregierung in Ihrer Mitteilung wörtlich: „Die Bezirksregierung Detmold wird aus Eigeninteresse keinen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen“. Die Verwaltung der Stadt Rheda-Wiedenbrück hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Wörtlich ist protokolliert: „Bei den zugrunde zu legenden Kriterien kommen sowohl die Bezirksregierung als auch die Stadt zu der Auffassung, dass die Erfolgsaussichten des Antrags als eher gering einzuschätzen sind.“

Einschätzung von Fachanwälten zu weiteren juristischen Verfahren:

Laut weiteren Fachanwälten hat ein Berufungsverfahren keine Chancen auf Erfolg, das Planfeststellungsverfahren bleibt aufgehoben. Einem weiteren Planungsverfahren -unabhängig vom Bauträger- wird ebenfalls keine Chance auf Realisierung haben, da es bei der Abwägung der Ziele und Schutzgüter klare k.o.-Kriterien gibt. Dazu gehört beispielsweise die Kartierung von 14 streng geschützten Arten. Der Lärmschutz spielt auch eine wichtige Rolle. Aufgrund der Vorarbeiten in der Klagebegründung vom Februar 2024 ist eine Klage von Umweltverbänden mit hoher Sicherheit anzunehmen. Eigentlich ist hiermit von einer „juristischen Unmöglichkeit das Bauprojekt fortzusetzen“ auszugehen. 

Einschätzung des Rates in der Ratssitzung vom 6.3.2025

Der Rat hat sich hier eine eigene Meinung gebildet und in der Ratssitzung am 6.3.2025 folgenden Beschluss gefasst: 

a) Der Rat der Stadt Rheda-Wiedenbrück spricht sich für eine Weiterverfolgung des Planfeststellungsverfahrens Südring aus und beauftragt die Verwaltung, Rechtsmittel gegen das Urteil des VG Minden einzulegen und einen Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem OVG zu stellen. Des Weiteren wird die Verwaltung beauftragt, die Bezirksregierung zu bitten, ebenso von der Möglichkeit des Rechtsmittels Gebrauch zu machen und einen Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem OVG zu stellen. Abstimmungsergebnis: 

  • 29 Ja-Stimme(n) (CDU, Move, FDP),
  • 20 Nein-Stimme(n) (B90/Die Grünen, SPD, FREIE-Linke, AfD, FWG),
  • 1 Enthaltung (Bürgermeister)

Da die Stadt allein in Berufung gehen kann, hat sie dies auch getan. Erwartungsgemäß hat sich die Bezirksregierung Detmold einem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht angeschlossen. Die Anwalts- und Gerichtkosten trägt damit die Stadt Rheda-Wiedenbrück alleine.

An der Bürgerbefragung wird weiterhin festgehalten.